- Innovation
- 25 Juli, 2022
- Trek Performance Research
Auf Geschwindigkeit getrimmt Die Aerodynamik hinter unserem schnellsten Race-Rennrad aller Zeiten
Seit seiner Einführung ist das Madone die perfekte Verkörperung von Geschwindigkeit. Da aber sowohl die Racebikes als auch der Radrennsport immer schneller werden, sind fortwährend bessere Technologien erforderlich, um der Konkurrenz stets einen Schritt voraus zu sein.
Seit der Einführung des Madone im Jahr 2003 hat sich die Durchschnittsgeschwindigkeit bei den Frühjahrsklassikern um rund 1,5 km/h erhöht. Das bedeutet, dass Fahrer:innen, die diese Rennen vor 20 Jahren bestritten, ihre Leistung um mehr als 35 Watt steigern müssten, um mit den heutigen Geschwindigkeiten mithalten zu können – vorausgesetzt, sie würden mit derselben Ausrüstung wie vor 20 Jahren fahren. Bei solch hohen Geschwindigkeiten macht der Luftwiderstand nahezu 90 % der gesamten Widerstandskräfte aus, sodass die Verbesserung der Aerodynamik für alle, die das Podium anvisieren, ganz oben auf der Liste der Optimierungsmaßnahmen steht.
Das brandneue Madone ist der nächste Entwicklungsschritt hin zum perfekten Racebike. Lies weiter, um mehr über die Aerodynamik hinter unserem schnellsten Race-Rennrad aller Zeiten zu erfahren.
IsoFlow, Totaldruck und Luftwiderstand des Rahmens
Die offensichtlichste Neuerung am neuen Madone ist das brandneue IsoFlow-Feature, das die Aerodynamik verbessert, das Gewicht verringert und den Fahrkomfort erhöht. Wie aber trägt es zur Verringerung des Luftwiderstands am Rahmen bei?
Am Beginn der Entwicklung von IsoFlow standen die Identifizierung der luftwiderstandsintensiven Bereiche am Madone der 6. Generation und die Analyse der Luftströme an diesen Stellen. In der frühen Entwurfsphase setzten wir dafür auf ein Strömungssimulationsverfahren namens Computational Fluid Dynamics (CFD) – zu Deutsch: numerische Strömungsmechanik.
In dieser Phase arbeiten wir weniger an der Modellierung kleinerer Komponenten und Teile wie Flaschenhalter oder Speichen. Stattdessen konzentrieren wir uns voll und ganz auf die Erhöhung der Simulationsrate, um mehr Designiterationen durchlaufen zu können. Das Ergebnis ist eine Simulation, die den Luftstrom relativ präzise modelliert. Mithilfe unserer Hochleistungscomputer lassen sich diese innerhalb weniger Stunden erzeugen. Einen Faktor, den wir niemals außen vor lassen, ist der Fahrer. Auch wenn dieser für eine verständlichere Darstellung in den Simulationen oftmals nicht angezeigt wird, ist er immer Teil unserer CFD-Simulation – entweder dynamisch pedalierend oder mit statischen Beinpositionen über den gesamten Pedalzyklus hinweg. In CFD simulieren wir Tausende von Bedingungen und Prototypen, um mehr Designs analysieren zu können, als im Windkanal oder auf der Straße jemals möglich wären.
Die unten stehende Abbildung zeigt CFD-Simulationen aus der frühen Designphase des Madone der vorherigen Generation im Vergleich mit einem IsoFlow-Konzeptbike. Hierbei werden die Bereiche mit hohem Luftwiderstand als „Wolken“ dargestellt, wobei rot den höchsten erzeugten Luftwiderstand anzeigt (für eine übersichtlichere Visualisierung des Luftstroms entlang des Rahmens ist der Fahrer hier verborgen). Die Abbildung veranschaulicht deutlich, wie die Stellen mit hohen Luftwiderständen durch die Integrierung von IsoFlow bereinigt werden.
Um ganz genau zu sein: Die roten Wolken stellen zwar einen Anhaltspunkt für den Luftwiderstand dar, repräsentieren in Wirklichkeit aber den Totaldruck. Ohne zu tief in aerodynamische Konzepte eintauchen zu wollen, kann man den Totaldruck vereinfacht als ein Maß der Energie in einem strömenden Medium verstehen. An Fahrradrahmen ist es unser Ziel, Bereiche mit geringem Totaldruck (oder geringer Energie) zu vermeiden, da diese Luftwiderstand erzeugen. Wer in Physik gut aufgepasst hat, erinnert sich vielleicht noch an den Energieerhaltungssatz. Dieser trifft auch hier zu: Wird dem Luftstrom Energie entnommen, muss diese Energie von irgendwoher her stammen. Und in diesem Fall sind es die Beine des Fahrers.
Am neuen Madone SLR sorgt IsoFlow für einen optimierten Luftstromweg und erhöht die Energie des Luftstroms durch und um die Sitzstreben herum. Dies bedeutet eine erhebliche Verbesserung im Vergleich zum bisherigen Design, bei dem die um und durch Sattelstütze und Sitzstreben gepresste Luft mit der Bewegung der Beine interferiert, was wiederum den Luftwiderstand erhöht.
Erzeugter Luftwiderstand
IsoFlow kann aber noch viel mehr, als nur den Luftwiderstand am Rahmen zu senken. Die schnelle Luft, die IsoFlow durchströmt, hilft, die Energie in den Bereichen zu erhöhen, in denen der Großteil des Luftwiderstands erzeugt wird: hinter und unter dem Fahrer. Tritt man in die Pedale, erzeugt die Luft auf ihrem Weg entlang der Beine und des Rückens gegenläufige Wirbel. Dieser Effekt ist in renommierten Studien dokumentiert und auch in unserer CFD-Simulation ersichtlich. In der unten stehenden Animation sind Stärke und Rotationsrichtung dieser gegenläufigen Wirbel zur besseren Identifizierung unterschiedlich gefärbt.
Der Großteil des Luftwiderstands der Bike/Fahrer-Einheit wird von der Person selbst erzeugt, und dieser Effekt hat einen großen Anteil daran. IsoFlow hilft, die Luft in diesen Niederdruckbereich zu leiten und den vom Fahrer erzeugten Luftwiderstand zu verringern. Die Auswirkung ist insgesamt eher gering, aber jede noch so kleine Optimierung des enormen, vom Fahrer erzeugten Luftwiderstands kann oftmals mehr bewirken als Veränderungen am Luftwiderstand des Rahmens. In der nächsten Animation sind erneut die vom Fahrer erzeugten Wirbel zu sehen. Allerdings werden hier der Totaldruck farbig dargestellt und die durch IsoFlow verlaufenden Stromlinien hervorgehoben. Letztere bewegen sich nach oben und erhöhen die Energie im Sog des Fahrers.
Die Auswirkungen des Pedalierens und von turbulenter („schmutziger“) Luft werden dann im Windkanal weiter untersucht, und zwar an den Prototypen, die sich in unseren CFD-Simulationen als aussichtsreichste Konzepte herauskristallisiert haben. Die Windkanäle, in denen nicht nur wir, sondern auch führenden Luft- und Raumfahrtunternehmen testen, ermöglichen die Messung kleinster Veränderungen am Luftwiderstand und erzeugen qualitativ hochwertige Luftströme.
Genau wie bei den CFD-Simulationen, setzen wir bei unseren Tests im Windkanal stets einen Fahrer aufs Bike. Zum einen, weil sich Fahrräder nicht von selbst bewegen. Zum anderen, weil der Fahrer einen enormen Einfluss auf die aerodynamischen Qualitäten eines Rahmens hat. Allerdings stellt uns die Einbeziehung eines menschlichen Fahrers vor gewisse Probleme. Während der Tests verändern wir unsere Designs oftmals nur um wenige Millimeter. Und um die Unterschiede beim Luftwiderstand zwischen den Modellen genau erfassen zu können, müssen die Vorgänge im Windkanal präzise wiederholbar sein. Allerdings sind auch die erfahrensten Profis nicht in der Lage, ihre Bewegungen präzise genug zu reproduzieren, um subtile Auswirkungen aufgrund minimaler Designänderungen zu identifizieren. Wie können wir aber genau das sicherstellen?
Mithilfe von Manny dem pedalierenden Mannequin.
Manny bietet all die Vorteile, die Tests mit Fahrern bieten (einschließlich realistischer Aerodynamik und Möglichkeit zur Analyse der vom Körper erzeugten Turbulenzen), und eliminiert die Nachteile von menschlichen Fahrern, die unmöglich in der Lage sind, eine perfekte Position über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten. Außerdem erspart es uns die Beschwerden der Fahrer nach einem langen Testtag im Windkanal. Dank Manny können wir Designänderungen mit einer Wiederholbarkeit von ungefähr ±1 Watt bei 45 km/h analysieren. Natürlich führen wir auch weiterhin Windkanaltests mit Menschen durch – einerseits, um die Ergebnisse aus vorangehenden Tests zu bestätigen, und andererseits, um die Auswirkung der Ausrüstung auf bestimmte Racer von Trek-Segafredo zu untersuchen. Aber mit Manny beginnt alles.
Diese Daten zeigen, dass die in den CFD-Simulationen berechneten Verbesserungen beim Luftwiderstand im Windkanal bestätigt wurden. Mit nur einem Generationssprung vom vorherigen Madone konnte der Luftwiderstand drastisch verringert und der Einfluss von Seitenwindbedingungen weiter gesenkt werden. In diesem Szenario befindet sich der Fahrer in der exakt gleichen Position wie auf dem vorangegangenen Madone.
Fährt er die neue Lenker/Vorbau-Einheit in derselben Lenkerbreite wie an vorherigen Generationen, befinden sich die Schalthebel jetzt 3 cm weiter innen. Die daraus resultierende aerodynamische Sitzhaltung verringert den Luftwiderstand über nahezu alle Gierwinkel hinweg, besonders aber bei Bedingungen mit flachem Seitenwind.
Ist diese engere Armposition nicht gewünscht, kann die neue Lenker/Vorbau-Einheit eine Nummer größer gefahren oder eine andere Lenkerlösung montiert werden. In diesem Fall profitieren Fahrer weiterhin von den aerodynamischen Verbesserungen am Bike, müssen aber auf die Vorteile der Positionsänderung verzichten.
Was bedeutet das für Madone-Fahrer?
Um Bikes auf eine einfachere Art miteinander zu vergleichen, können wir den Luftwiderstand über alle Gierwinkel hinweg mitteln, um für jedes Bike einen bestimmten Wert zu erhalten. Allerdings entspricht solch ein genauer Mittelwert nicht der Realität, da unter realen Bedingungen nicht jeder Gierwinkel gleichmäßig vertreten ist. Stattdessen muss ein gewichteter Mittelwert angewendet werden, der die unterschiedlichen Winkel und Seitenwindbedingungen berücksichtigt.
Dafür berechnen wir den theoretischen Prozentsatz der Zeit, die ein Fahrer in jedem Gierwinkel verbringt, und zwar über eine Vielzahl von Ausfahrten und Windbedingungen hinweg. Die Windbedingungen werden dabei mithilfe der Rayleigh-Windverteilung ermittelt, welche die normalen Windbedingungen auf der Erde nähert. Danach werden diese Berechnungen mit den Daten validiert, die mithilfe von Windsensoren unter realistischen Fahrbedingungen gesammelt worden sind. Die häufigsten Bedingungen sind flacher Seitenwind bzw. flacher Gierwinkel (0° ist der häufigste Winkel). Keine Ausfahrt wird jemals genau dieser Gierwinkelverteilung entsprechen, aber je länger eine Ausfahrt dauert, desto mehr nähert man sich dieser an.
Um die Daten schließlich aussagekräftiger zu machen, wird der giergewichtete Luftwiderstand des Bikes in Leistungs- und Zeiteinsparungen umgewandelt. Im Vergleich zum Madone der vorherigen Generation ermöglicht das neue Madone zusammen mit der Positionsänderung des Fahrers auf dem Bike eine Zeitersparnis von ungefähr 60 Sekunden pro Stunde.
Auch wenn das Madone unter Berücksichtigung der Anforderungen und Wünsche unseres Profirennteams entwickelt wurde, können alle von diesen aerodynamischen Vorteilen profitieren. Die Zeiteinsparungen hängen in geringerem Maße von der Fahrtgeschwindigkeit ab, als man glauben mag, da der aerodynamische Vorteil bei niedrigeren Geschwindigkeiten mehr zum Tragen kommt.
Und für Profi-Racer, die mit immer höheren Geschwindigkeiten mithalten müssen, stellt das Madone eine wichtige, aerodynamisch fortschrittliche Ergänzung ihres Fuhrparks dar. Basierend auf diesen Windkanalergebnissen und unter Berücksichtigung der derzeitigen Durchschnittsgeschwindigkeiten der Frühjahrsklassiker kann das neue Madone SLR zusammen mit seiner aerodynamischen Lenkerposition im Vergleich zum alten Madone die Geschwindigkeit um weitere 0,7 km/h erhöhen. Und das ist fast halb so viel wie die Geschwindigkeitserhöhung, die seit der Einführung des originalen Madone im Jahr 2003 bei Rennen beobachtet wird.
About the Author: Trek Performance Research
Trek may have been born in a barn, but it was raised on rocket science. Trek Performance Research is the driving R&D force behind developing the industry’s most innovative products.