Wenn der WM-Titel Realität wird Ohne seriöse Vorbereitung geht gar nichts. Schon gar nicht, wenn man zum Ziel hat, an einer Weltpremiere das Siegertreppchen einer Weltmeisterschaft zu besteigen und damit Geschichte zu schreiben. Dieses ambitiöse Ziel hatte sich XC-Athletin Nathalie Schneitter gesetzt und gezielt drauf trainiert. Mont Saint Anne sollte nicht nur in ihrer Rennkarriere ein Meilenstein werden, sondern auch in die Renngeschichtsbücher eingehen. Wie sie die Premiere der E-Mountainbike-WM erlebt habt, lest ihr hier.
E-Mountainbike Weltmeisterin – ein Traum wird wahr!
Die erste E-Mountainbike Weltmeisterschaft wird in die Geschichte eingehen. Grund genug, mich für die Sache zu begeistern und das Rennfieber aufleben zu lassen. Meine Teilnehme hat auch emotionale Gründe: Tagtäglich sehe ich in meiner Familie, welche Freiheiten und Freude E-Bikes ermöglichen. Dank dem E-Mountainbike können Menschen zusammen Rad fahren, die unterschiedlichste Fitnessniveaus mitbringen – das ist grossartig.
Aber dem noch jungen Sport fehlen die Helden. Es ist höchste Zeit, dass das E-Bike sein zu Unrecht verstaubtes Image ablegen kann und geschätzt wird für seine Stärken und den erweiterten Möglichkeiten, die es bietet. Nebst mir gibt es viele weitere Jungs und Mädels, die sich an der E-Bike WM dasselbe zum Ziel gesetzt haben. So zum Beispiel die mehrfache Four-Cross Weltmeisterin Anneke Beerten aus den Niederlanden, oder auch die Radquer Spezialistinnen Caroline Mani (FR) und Maghalie Rochette (CAN). Auch die Französin Nadine Sapin, die mich in der Vorwoche an der E-Tour du Mont Blanc noch regelrecht eingeteilt hat, ist mit am Start.
Photo: Michele Mondini
Die Besichtigung der E-WM Strecke beschert mir Schmetterlinge im Bauch. Ich hatte mir unnötig Sorgen gemacht, dass die Strecke nicht den E-Bike typischen Ansprüchen genügt. Für ein tolles Rennen braucht es technisch schwierige Anstiege, attraktive Abfahrten und möglichst wenige Flachstücke. Die Streckenbauer in Mont Sainte-Anne haben wirklich tolle Arbeit geleistet. Der Ort gilt seit Jahrzehnten als Kathedrale des Mountainbike Sports und mit dieser fulminanten Strecke der E-MTB WM bald wohl auch als Geburtsstätte des E-Racing.
Die letzten Stunden vor dem Start habe ich wahnsinnig mit der Nervosität zu kämpfen. Deshalb bin ich froh, dass mich der Bike-Check für einige Zeit beschäftigt. Jedes Bike musste bereits Stunden vor dem Rennen zur individuellen Kontrolle. Dabei wird der Radumfang bestimmt und eine Motorendiagnostik durchgeführt. Nach den Check müssen die Bikes bis zur Startaufstellung in einer abgesperrten Zone bleiben. Der Motor darf dann erst auf der Startlinie eingeschaltet werden – alles Vorsichtsmassnahmen um E-Doping möglichst auszuschliessen.
Photo: Michele Mondini
Mein Herz rast schon auf der Startlinie. Rennsport ist unverzeihlich, man ist ganz auf sich alleine gestellt, kann sich hinter niemandem verstecken, Fehler sind keine erlaubt. Das E-Bike hilft zwar als Team-Partner kräftig mit, aber Entscheidungen trifft es keine. Die Startrunde wird dann bereits zum Härtetest für mich. Die Startsteigung ist technisch relativ einfach und da ich nicht grade ein Fliegengewicht bin, tue ich mir bei solchen Passagen eher schwer. Technische Aufstiege sind meine Paradendisziplin, doch auch in den Abfahrten kann ich meine Stärken ausspielen.
Photo: Michele Mondini
Ich erreiche die ersehnte erste Abfahrt als Zweite hinter der Kanadierin Maghalie Rochette. Kleine, unnötige Fehler bei der Linienwahl verunsichern mich und bringen mich aus dem Flow. Am Ende der erste Runde unterläuft mir dann bei der Einfahrt zur berühmt-berüchtigten «La Béatrice», einem spektakulären Rockgarden, der im XC Weltcup legendär ist, ein grober Fehler. Ich zögere, das Vorderrad rutscht weg und ich muss einige Meter zu Fuss zurück zu legen und brocke mir einen 10 Sekunden Rückstand ein.
Maghalie sucht sofort die Flucht nach Vorne und für die verbleibenden drei Runden spielen wir ein Katz und Maus. In den Passagen, in denen ich stark bin, kann ich die Lücke jeweils wieder zu fahren, in den längeren Aufstiegen werde ich wieder abgeschüttelt. Die zahlreichen Fans am Streckenrand push mich ans Limit und in der letzten Runde kann ich tatsächlich noch einmal über mich hinauswachsen. Ahnend, wo das Rennen für mich besonders hart werden wird, habe ich meine Eltern platziert und sie beauftragt mich den Berg hinaufzubrüllen. Tatsächlich kann ich den Rückstand in der letzten Runde minimal halten und direkt am Hinterrad von Maghalie in die letzte Abfahrt des Rennens, notabene wiederum «La Béatrice», einbiegen.
Photo: Michele Mondini
Genau an derselben Stelle, wo ich mir in der ersten Runde des Rennens den Rückstand einhandelte, attackiere ich in dieser letzten Runde und riskiere alles. Ich weiss genau, dass es meine einzige Chance ist das Rennen zu gewinnen. Meine Konkurrentin, total überrumpelt über die Aktion, braucht einen Moment um sich wieder zu fangen. Fünf Sekunden Vorsprung bringe ich mit auf die Ziellinie: Genug zum ausgiebig jubeln!
In Mont Saint-Anne wurde tatsächlich Geschichte geschrieben. Ich konnte nicht nur dabei sein, sondern mich als Weltmeisterin ins Regenbogentrikot einkleiden lassen. Was für ein Erlebnis, was für Emotionen! Ich bin glücklich, müde und sprachlos!
Übersicht E-MTB WM und E-Bike-WM für Jedermann
Die E-Mountainbike Weltmeisterschaft in Kanada ist nicht zu verwechseln mit der E-Bike-WM für Jedermann in Sillian in Osttirol.
Daten und Fakten:
E-Mountainbike-Weltmeisterschaft
Austragungsort: Mont-Sainte-Anne, Kanada
Datum: 28.08.2019 – 01.09.2019
Erster Renntag: 28.08.2019
Teilnehmer: nur professionelle Athleten
Veranstalter: UCI (Weltradsportverband)
E-Bike-WM für Jedermann
Austragungsort: Mont-Sainte-Anne, Kanada
Datum: 13.09.2019 – 14.09.2019
Erster Renntag: 14.09.2019
Teilnehmer: Jedermann
Veranstalter: E-Bike Federation
Photo: Marco Rosasco
Bio Nathalie Schneitter:
Nathalie Schneitter startete ihre internationale Mountainbike-Karriere im Jahr 2004 mit dem Gewinn des Cross-Country-Weltmeistertitels bei den Juniorinnen. Seither ist sie Vollgas auf den Rennstrecken dieser Welt unterwegs. In Jahr 2008 qualifizierte sie sich für die Olympischen Spiele in Peking und 2010 sicherte sie sich den Heimsieg beim Cross-Country-Weltcup in Champéry. Vollgas gibt Nathalie auch neben der Rennstrecke: Sie lacht viel, ist bisschen verrückt und tanzt in jeder möglichen Situation. Sie ist Messeverantwortliche im Organisationsteam der Bike Days in Solothurn und des Urban Bike Festival in Zürich und spricht auf Red Bull TV den Deutschen Co-Kommentar des MTB Cross Country Weltcup.
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